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Gewagte Thesen - wie Leipzig Luthers Ideen in Umlauf brachte und bringt

Ausstellung "Luther - Leipzig - Letterpress! Martin Luther macht Druck" noch bis zum 24.09. 2017 im Museum für Druckkunst

Foto: Museum für Druckkunst
Foto: Museum für Druckkunst
In Leipzig, wo sich Martin Luther einst mit der römischen Kirche anlegte, ist das Jubiläumsjahr voll im Gange: 500 Jahre nach dem Wittenberger Thesenanschlag sind hier Hunderte Konzerte,  Ausstellungen, Theateraufführungen und Open-Air-Events zu erleben – und den 95 Thesen kann man in Leipzig noch eine sechsundneunzigste, nämlich die eigene, hinzufügen.

Ob Luther seine 95 Thesen am 31. Oktober 1517 tatsächlich mit dem Hammer an die Tür der Wittenberger Schlosskirche geschlagen hat, darüber streitet die Geschichtswissenschaft bis heute. Doch ob nun historischer Fakt oder nachträglich erfunden – die Thesen existierten und sie hatten solch eine Sprengkraft, dass sie eine Entwicklung in Gang setzten, die selbst der Theologe Luther nicht erahnt haben dürfte. »Tut Buße und erwartet nicht, dass ihr durch den Kauf eines Ablassbriefes mit Sicherheit vollständige Vergebung eurer Sünden erhaltet«, so kann man Luthers Ansatz kurz zusammenfassen. Und damit richtete er sich insbesondere gegen den umtriebigen und äußerst geschäftstüchtigen Ablassprediger Johann Tetzel.

Luthers provokante Thesen verbreiteten sich wie ein Lauffeuer. Und an dieser Stelle kommt Leipzig ins Spiel: Die Messestadt war zu Beginn des 16. Jahrhunderts ein bedeutender Standort des Druckgewerbes und spielte daher eine wichtige Rolle für die Verbreitung reformatorischer Schriften in Mitteldeutschland und darüber hinaus. So gehörten die Leipziger Drucker zu den ersten, welche die 95 Thesen als Plakat druckten: »Wer sie in Leipzig als Erster gedruckt hat, kann man nicht mit Sicherheit sagen. Aber sehr wahrscheinlich war es Melchior Lotter. Der Leipziger Drucker war auch ein Freund Luthers. Er druckte die Thesen bereits 1517, also vermutlich kurz nachdem sie in Wittenberg veröffentlicht worden waren«,sagt Dr. Susanne Richter, Direktorin des Museums für Druckkunst in Leipzig. Das kleine Museum in Plagwitz ist ein Geheimtipp für alle, die sich ein Bild davon machen wollen, wie man zu Luthers Zeiten mit Bleilettern und Holzpressen Druckerzeugnisse herstellte. »Das Setzen eines Plakates wie jenes mit den 95 Thesen, also mit viel Text und ohne Illustrationen, hat damals etwa zehn bis zwölf Stunden, also mindestens einen ganzen Arbeitstag, in Anspruch genommen. Der Druck selbst war eine Sache von Minuten«, so die Direktorin weiter. Selbst ausprobieren kann man das auch: In der aktuellen Sonderausstellung »Luther – Leipzig – Letterpress!« zum Buchdruck zu Luthers Zeiten können die Besucher ihre eigene These setzen und eigenhändig drucken.

Fast zwei Jahre später, im Sommer 1519, erhielten die 95 Thesen in Leipzig eine große Bühne. Auf der Pleißenburg (heute steht an der Stelle das Neue Rathaus) kam es zum aufsehenerregenden rhetorischen Schlagabtausch zwischen Martin Luther und dem papsttreuen Theologen Johannes Eck. Das Streitgespräch, das als "Leipziger Disputation" in die Geschichte eingehen sollte, zog sich über mehrere Wochen hin und führte schließlich zum endgültigen Bruch Luthers mit der Amtskirche. Während der Disputation wohnte der Reformator im Übrigen bei Melchior Lotter, besagtem Drucker. Ein anderer dieser Zunft, der Leipziger Wolfgang Stöckel, druckte die Reden der Disputation ab. Die Rose, die das Titelblatt zierte, verwendete Luther später als Wiedererkennungszeichen und Siegel.


Öffnungszeiten:

Montag - Freitag 10:00 - 17:00 Uhr
www.druckkunst-museum.de